Bericht in der Zeitschrift Diatra 3-2017 zum Angehörigentreffen der DSO 2017
„Dank und Erinnerung“
Angehörigentreffen 2017 der DSO Region Mitte in der Ärztekammer des Saarlandes in Saarbrücken Am 17. August veranstaltete die DSO gemeinsam mit der Ärztekammer des Saarlandes das diesjährige Angehörigentreffen der DSO Region Mitte. In seiner Begrüßung, ging der Vizepräsidenten der Ärztekammer des Saarlandes, Herr Sanitätsrat Dr. Hans-Joachim Seelig, auf den Organmangel in Deutschland ein und stellte heraus welche Maßnahmen nach dem Transplantationskandal 2012 ergriffen und umgesetzt wurden. Insbesondere würdigte er die Angehörigen, die mit Ihrer Entscheidung für die Organspende anderen Menschen neues Leben geschenkt haben. Anschließend begrüßte Frau PD Dr. Ana Barreiros, geschäftsführende Ärztin DSO Region Mitte, die Anwesenden. In Ihrer Rede ging Sie im Besonderen auf die Betreuung der Angehörigen nach der Entscheidung zur Organspende ein. „Die Menschen, die sich für eine Organspende entschieden haben oder diese Entscheidung für ihre Angehörigen getroffen haben, verdienen Fürsorge, Anerkennung und Antworten auf ihre Fragen. Denn sie spenden
selbstlos und ohne eine Gegenleistung zu erwarten – sie spenden, weil sie helfen
wollen. Wir lassen die Familien auch nach der Organspende nicht allein. Die
Angehörigen können erfahren, ob die Transplantation der Organe erfolgreich war und wie es den Empfängern geht. Wenn die Angehörigen das möchten, laden wir sie zu gemeinsamen Treffen wie diesen ein, an denen auch Organempfänger teilnehmen.“ Nach der namentlichen Begrüßung der anwesenden Angehörigen und einer kurzen Vorstellung der einzelnen Schicksale durch Frau Simone Rudloff und Frau Anne-Bärbel Blaes-Eise von der DSO, beleuchtete Frau Blaes-Eise in einem Impulsvortrag die Bedürfnisse der Angehörigen der Organspender. Das Transplantationsgesetz (TPG) regelt in Bezug auf die Angehörigen die Entscheidung zur Organentnahme, die Abschiednahme, den Umgang mit dem Spender und den Datenschutz. Der Datenschutz fordert unter anderem die strikte Anonymität von Spender- und Empfängerdaten. Die weiterführende Begleitung der Angehörigen ist gesetzlich nicht geregelt, hat sich aber im Laufe der Jahre etabliert. Hierzu gehören u.a. die Angehörigentreffen in allen DSO Regionen, sowie die anonymisierte Weitergabe von Angehörigen- bzw. Empfängerbriefen. Aufgrund der Datenschutzbestimmungen im TPG wurde die Weitergabe der Briefe von der DSO eingestellt. Im TPG ist festgeschrieben, dass Empfänger und Spenderdaten nur für ganz bestimmte, explizit im Gesetz genannte Zwecke, zusammengeführt werden dürfen. Die Weiterleitung von Briefen gehört nicht dazu. In fast allen anderen europäischen Ländern ist ein solcher anonymisierter Austausch von Briefen zwischen Angehörigen und Empfängern möglich, quasi europäischer Standard. Zur Möglichkeit des direkten Kontakts zwischen Angehörigen und Empfängern ist in Deutschland noch eine intensive gesellschaftliche Diskussion notwendig, da solche Kontakte sehr tiefgreifende nicht abzuschätzende Konsequenzen für beide Seiten haben können. In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass gerade der anonymisierte Austauscht vielen Angehörigen hilft, Ihr Schicksal zu bewältigen. Den Meisten ist vor allem die konkrete Information über den „Verbleib“ der gespendeten Organe und der Zustand der Empfänger nach der Transplantation wichtig. Dies kann Ihre evtl. vorhandenen Zweifel, über die Richtigkeit Ihrer Entscheidung, ausräumen. Von Seiten der Empfänger ist das Bedürfnis im Kontext der Organspende Ihren Dank für das empfangene Geschenk auszudrücken. „Dank ist die wohlwollende Erwiderung empfangener Hilfe“ (Definition Wikipedia). Erwiderung setzt jedoch voraus, dass man den Helfenden persönlich ansprechen kann. Für den Empfänger ist also der Dankesbrief, die einzige Möglichkeit dazu. Nach einer Kaffeepause moderierte Frau PD Dr. Ana Barreiros die Podiumsdiskussion. Das Podium setzte sich aus zwei Vertretern der Angehörigengruppe, zwei Vertretern der Empfängergruppe, Herrn Dr. Axel Rahmel , Medizinischer Vorstand der DSO und Herrn Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, zusammen:
Frau Dr. Barreiros dankte vor allem Herrn Bundesminister Maas für sein Kommen. Durch seine Anwesenheit beim Angehörigentreffen in Saarbrücken setzte er ein Zeichen für mehr gesellschaftliche Wertschätzung gegenüber den Organspendern und ihren Familien. In der Diskussion wurde die Situation nach der Organspende von Angehörigen und Empfängern aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln beleuchtet.
Für mehr Wertschätzung und gesellschaftliche Würdigung für die Organspender und ihre Familien setzt sich Dr. Axel Rahmel ein. „Wir begleiten viele Angehörige in ihrer schwersten Stunde des Verlustes und der Trauer, in der sie häufig auch noch über Organspende nachdenken und entscheiden sollen. Wir wissen, wie eng Tod und Leben, Verzweiflung und Hoffnung beieinander liegen und Familien verbinden, die sich niemals persönlich kennenlernen. Die Zustimmung zur Organspende ist ein Akt der Solidarität und Nächstenliebe, der höchste Würdigung verdient – nicht nur hier im kleinen Kreis, sondern gerade auch in der breiten Öffentlichkeit.“
Herr Heiko Maas, der bereits seit vielen Jahren einen Organspendeausweis bei sich trägt, betonte dass seines Erachtens das Thema Organspende endlich aus der Tabu-Ecke herausgeholt werden muss. Er erklärte: „Die Organspende muss noch stärker in den öffentlichen Fokus gestellt werden, um ihr mehr Selbstverständlichkeit zu verleihen.“ Dies gelte auch für politische Debatten, die in der Öffentlichkeit ein Zeichen für mehr Wertschätzung und Anerkennung setzen könnten. Letztendlich sei die Entscheidung jedes einzelnen Bürgers wichtig, um das Leben von schwerkranken Patienten zu retten, ergänzte Herr Maas. Angesprochen auf die eingestellte Weiterleitung von Briefen, informierte er, dass zur Zeit zu diesem Thema eine Diskussion zwischen dem Bundesgesundheitsministerium und seinem Ministerium im Gange ist. Im Falle einer gemeinsamen Gesetzesvorlage der Ministerien, die eine anonymisierte Weitergabe von Angehörigen- bzw. Empfängerbiefen ermöglicht, sagte er seine Unterstützung zu. Mit dem Ziel dem Organmangel entgegenzuwirken, kam von Seiten des Podiums die Anregung, die Widerspruchslösung, wie sie zum Beispiel in Österreich gilt, auch in Deutschland einzuführen. Aus dem Publikum wurde dieser Ansicht widersprochen und mit Zahlen aus den Transplant- Jahresberichten der DSO und der ÖBIG Transplant untermauert. Werden in Deutschland nur knapp 17 Hirntote pro Million Einwohner gemeldet, so werden aus den österreichischen Krankenhäusern über 43 Hirntote pro Million Einwohner gemeldet. Die Ablehnungsrate bewegt sich in Österreich nur 2 bis 3 % Punkte unter der in Deutschland. Eine Änderung auf die Widerspruchslösung hätte also keinen Effekt, vielmehr liegt der Schlüssel in Deutschland in der Meldebereitschaft der Entnahmekrankenhäuser. Diese muss sehr stark verbessert werden.
Herr Dr. Axel Rahmel bestätigte in einem kurzen Statement die Ausführungen und Schlussfolgerungen aus dem Publikum zu diesem Thema.
Das deutsche Organspendesystem befindet sich in einem sehr kritischen Zustand, da bei einem Absinken unter 10 Spendern pro Million Einwohner (2016 in Deutschland 10,4 Spender pro Million Einwohner) der Ausschluss aus dem Eurotransplantsystem droht.
In der weiteren Diskussion zeigte sich, wie wichtig den Angehörigen der Austausch
untereinander - aber auch der Kontakt zu Organempfängern - ist. Durch sie erfahren sie häufig eine persönliche Bestätigung für die Sinnhaftigkeit der Entscheidung zur
Organspende.
Im Anschluss an die Podiumsdiskussion dankten alle anwesenden Transplantierten, mit sehr emotionalen Worten, Gedichten und Briefen symbolisch den Familien der Spender.
Die Porträts der Spenderinnen und Spender aus dem Kreis der anwesenden Angehörigen waren auf Holzstelen angebracht, die inmitten der Stuhlreihen auf einem roten Teppich eine „Straße des Erinnerns und Gedenkens“ bildeten. Die Namen aller wurden einzeln verlesen, mit dem Hinweis wie vielen Menschen durch ihre großmütige Entscheidung bzw. die ihrer Angehörigen geholfen werden konnte.
Gleichzeitig verneigte sich eine Organempfängerin achtungsvoll vor der entsprechenden Stele und legte dort jeweils eine große Blüte als Zeichen des Dankes nieder. Bei einem kleinen Imbiss gab es ausreichend Gelegenheit zum Gedankenaustausch. In vielen Gesprächen wurde auch das gerade Erlebte verarbeitet.
Hanna und Klaus Schmitt
Fotos Carsten Simon